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Rundgang am Stelendenkmal
Rundgang am Stelendenkmal
Stationen des Rundgangs am Stelendenkmal
Der Rundgang am Stelendenkmal führt über 11 Stationen und beinhaltet sowohl das Schicksal der jüdischen Familien als auch die besondere Thematik der jeweiligen Standorte.
Stelendenkmal am Bahnhofsvorplatz
Wir befinden uns hier an der zentralen Gedenkstätte für alle verfolgten, vertriebenen und ermordeten Pirmasenser Opfer des Nationalsozialismus. Die Gestaltung wurde vom Trierer Künstler Claas Steinmann ausgeführt. Neben dem zentralen Denkmal, den Bronze-Stelen, gibt es dazugehörige dezentrale Tafeln, die stetig erweitert werden. Sie sind an den letzten Wohnorten der Opfer angebracht und tragen neben Namen, Daten und Fakten einen QR-Code, der auf die städtische Homepage verweist, um mehr über die Biografien der Opfer zu erfahren.
Auf dem folgenden Rundgang hören wir von Pirmasensern, die, wie ihre 100.000 Leidensgenossen, unendlich grausame Schicksale erlebt haben.
Wegbeschreibung zur Ersten Station
Erste Station: Joßstraße 15: Familien Rubin und Dreifus
Am Platz der heutigen Joßstraße 15 lebten zur Zeit des Nationalsozialismus die Familien Dreifus und Rubin. Die Familie Rubin, darunter David und Olga Rubin (geb. Dreifus) sowie deren Tochter Beate Rubin, wurden im Holocaust ermordet. Olga Rubin hatte sechs Geschwister, von denen einige nach Frankreich fliehen konnten, wo sie im Untergrund lebten. Nach Verhaftung und Deportation wurden zwei der Geschwister im Holocaust ermordet, andere konnten überleben. Sie blieben in Frankreich oder emigrierten nach Brasilien und den USA. Auf der Gedenkseite für die Familien finden Sie einen Beitrag von Eloise Girault, einer Enkelin von Artur Dreifus.
Wegbeschreibung zur Zweiten Station
Zweite Station: Turnstraße 11: Emilie Blum und die Deportation nach Gurs
Emilie und Albert Blum lebten mit drei Töchtern 1898 in Pirmasens. Zwei der Kinder, Paula und Maria wurden Ärztinnen, und beide lebten bis 1936 mit der inzwischen verwitweten Mutter hier in der Turnstraße. Im Jahr 1939 verliert sich die Spur von Maria. Paula und ihre Mutter wohnten 1940 in Frankfurt. Paula verstarb dort an Krebs im Krankenhaus der Jüdischen Kultusvereinigung. Ihre Mutter Emilie wird von Frankfurt aus am 22.10.1940 zusammen mit mehr als 6.500 badischen und saar-pfälzischen Juden ins Internierungslager Gurs verschleppt. Nach dieser Aktion melden die Gauleiter Wagner und Bürckel die Gaue Baden und Saarpfalz als "judenfrei".
Neun überfüllte Züge fuhren drei Tage lang, bis sie ihr Ziel erreichten. Gurs, am Rande der Pyrenäen unweit der spanischen Grenze liegend, war das größte von 100 Internierungslagern, die in Frankreich errichtet wurden. Es konnte bis zu 20.000 Menschen aufnehmen und diente bis zur Deportation der Juden aus dem Raum Baden, Pfalz und Saar als Auffanglager für spanische Bürgerkriegskämpfer. Das Lager war zunehmend überbelegt und die Zustände katastrophal. Holzbaracken auf lehmigem Boden, Latrinen, zu denen man durch kniehohen Schlamm lief. Kälte, Hunger, Angst, Erschöpfung, harte körperliche Arbeit und vor allem die Ungewissheit dessen, was kommen würde, führten zum Tod von vielen, besonders von alten, geschwächten Menschen. Emilie Blum verstarb am 28.11.1940 im Alter von 74 Jahren.
Von Gurs aus wurden die Überlebenden zumeist über Drancy in die Massenvernichtungslager entsandt. Zeitzeugen bezeichnen Gurs als die „Vorhölle von Auschwitz“.
Wegbeschreibung zur dritten Station
Dritte Station: Oppenheimer Tor: Bezirksrabbiner Juda Oppenheim
Pirmasens war Mitte des 19. Jahrhunderts ein Zentrum jüdischer Kultur.1880 beschloss man den Bau einer neuen Synagoge, welche 1884 im Judengässel, heute Synagogengasse, eingeweiht wurde. 42 Jahre später, 1926, wurde die Synagoge für die nun 800 Mitglieder zählende Gemeinde nochmals erweitert. Juda Oppenheim, ehemaliger Bezirksrabbiner (1828-1877) und Namensgeber des Tors, war ein sehr reformfreudiger Rabbiner. Insbesondere der Gemeindegesang, aber auch seine fortschrittlichen Predigten, waren nicht nur bei seinen jüdischen Glaubensgenossen beachtet. So unterstützten christliche Musiker mit ihren Instrumenten den aus 40 Männern und Frauen bestehenden Synagogenchor an verschiedenen jüdischen Feiertagen.
Allgemein galten die Juden, die in Pirmasens kein eigens Wohnviertel hatten, als in die Gemeinde gut integriert. So störte sich auch keiner an der Namensbezeichnung Oppenheimer Tor für einen ehemaligen Durchbruch in der Stadtmauer, als zwischen 1933 und 1945 jüdische Straßennamen ausgelöscht und durch Namen von NS-Größen ersetzt wurden.
Wegbeschreibung zur vierten Station
Vierte Station: Ringstraße 36-38: Familie Schwarz und Dreifuß
Hier lebte unter anderem Kurt Dreifuß, der 1937 einen Reisepass zur Ausreise aus Deutschland stellte. Dieser wurde ihm verweigert, da die deutschen Behörden befürchteten, dass ein Mitglied seiner Familie, das geistig zurückgeblieben war, fortan vom deutschen Staat versorgt werden müsste. Somit gelang Kurt Dreifuß die Rettung ins Ausland nicht. Mit der Evakuierung 1939 verließ er Pirmasens und wurde 1942 über Izbica ins Vernichtungslager Treblinka deportiert.
Neben der Familie Dreifuß lebte im Haus auch noch die Familie Schwarz. Vater Alfred und Sohn Ernst verhaftete man nach der Reichspogromnacht am 10.11.1938 und schickte sie mit über 90 anderen Männern auf eine Irrfahrt über die französische Grenze, die schließlich nach vielen Schikanen und Entbehrungen unter unmenschlichen Bedingungen im Konzentrationslager Dachau endete.
Auch Familie Schwarz verzog endgültig aus Pirmasens mit der Evakuierung 1939. Die Familie lebte bis zu ihrer Deportation in das Ghetto Minsk in Düsseldorf. Nur Ernst Schwarz emigrierte zunächst ins noch unbesetzte Frankreich. In Saint-Cyprien 1940 interniert, wurde er schließlich nach der Überführung über Drancy nach Ausschwitz deportiert und dort ermordet.
Wegbeschreibung zur fünften Station
Bitte beachten Sie: Aufgrund des Rückbaus der ehemaligen Kaufhalle wurde die Sachtafel an der Schloßstraße 21 vorübergehend entfernt.
Fünfte Station: Schloßstraße 21: "Arisierung" am Beispiel der Kaufhalle
Noch heute ist die vom Juden Franz Levy gegründete Einheitspreishandels GmbH, kurz „Ehape“ den Pirmasensern bekannt. Weniger bekannt hingegen ist die Geschichte der Besitzer der Eisenwarenhandlung Kahn, die Geschäftsvorgänger in diesem Haus bis 1928. Moritz Kahn erlebte den Geschäfte-Boykott im April 1933: „Deutsche kauft nicht bei Juden“. Seine Fensterscheiben wurden eingeschmissen, sein Geschäft verwüstet. Noch in demselben Jahr stirbt Moritz Kahn, und seine Frau Susanne ist 1938 gezwungen, das Geschäft und Gebäude zu einem niedrigen Preis an die Rheinische Kaufhalle AG abzugeben. Den Kaufpreis sollte die Witwe nie erhalten. Stattdessen erhielt sie einen Steuerbescheid über die sogenannte "Judenvermögensabgabe", die die Verarmte nicht bezahlen konnte. Auch der neue Wohnsitz, im Altersheim in Mannheim, sollte vom Kaufpreis abbezahlt werden. Bittgesuche an die handelnden Beamten blieben jedoch ungehört.
Wegbeschreibung zur sechsten Station
Sechste Station: Exerzierplatzstraße 13: Familie Beiersdorf
Ein bewegendes Schicksal verbirgt sich in der Familiengeschichte Beiersdorf. Ludwig Beiersdorf, in seiner Jugend ein über die Stadtgrenzen hinaus bekannter Ringer, wurde nach der Reichspogromnacht am 10.11.1938 mit 70 Jahren blutüberströmt aus diesem Haus abgeführt und fand sich später im Konzentrationslager Dachau wieder. Wie alle Pirmasenser Juden verließ er Pirmasens mit Tochter und Ehefrau 1939 im Zuge der Evakuierung. Die Familie siedelte in Berlin. Seine Tochter Gretel hatte noch in Pirmasens den evangelischen Glauben angenommen und den evangelischen Kaufmann Ludwig Jung geheiratet. Die Ehe wurde zwangsannulliert und Gretel musste wie alle jüdischen Frauen zusätzlich den Namen Sara tragen. Im März 1943 wurden die Eltern verhaftet. Gretel gelang gerade noch die Flucht. 1943 bis 1945 kämpfte das Mädchen auf sich alleingestellt in Berlin ums Überleben. Als sie nach dem Krieg erfuhr, dass ihr Mann aus Kriegsgefangenschaft entlassen war, reiste sie nach Pirmasens zurück und sah ihn im Dezember 1945 wieder. Im Alter von 106 Jahren verstarb Gretel Jung 2017.
Wegbeschreibung zur siebten Station
Siebte Station: Bahnhofstraße 10: Emma August
Emma August wurde 1885 in Illingen geboren, einer saarländischen Gemeinde im Landkreis Neunkirchen. Ihre Eltern waren Simon und Amalia August, geborene Kaufmann. Sie war eine Dienstmagd bei Robert und Dorothea Mayer in der Bahnhofstraße 14, wo sich ein „Café und Weinrestauration“ befand. Emma August wohnte nur kurz in Pirmasens in der Bahnhofstraße 10 und verzog später wieder nach Illingen. Am 22.10.1940 wurde sie nach Gurs deportiert, wo sie bereits am 4.1.1941 verstarb. Selbst unverheiratet, hatten Sie aber mehrere Geschwister, darunter Albert August, 1883 geboren, der 1941 durch das Euthanasieprogramm der Nazis in der Hadamar Tötungsanstalt ermordet wurde. Sie war eine von 15 Jüdinnen und Juden, die von Illingen aus nach Gurs deportiert wurden. Emma August starb im Alter von nur 55 Jahren.
Wegbeschreibung zur achten Station
Achte Station: Amtsgericht, Bahnhofstraße 22-26: Sachtafel zur "Polenaktion"
Hier im Amtsgericht Pirmasens wurden am 27.10.1938 40 Jüdinnen und Juden polnischer Herkunft und Familienangehörige inhaftiert. Erst hier erfuhren sie, dass sie am kommenden Tag nach Kaiserslautern verbracht wurden, um von dort aus mit dem Zug nach Polen abgeschoben zu werden. Nur wenige haben die Verfolgung während des Krieges überlebt. Ein damals 10-jähriger Junge hat für seine Familie einen Augenzeugenbericht über diese Deportation erstellt. Einen Auszug finden Sie auf der Gedenkseite zur "Polenaktion".
Wegbeschreibung zur neunten Station
Neunte Station: Schützenstraße 9: Dr. Robert Dreifus
Robert Dreifus, Sohn des Lederwarenhändlers Isaak Dreifus, wurde 1900 in Pirmasens geboren. Er besuchte das Humanistische Gymnasium (heute Immanuel-Kant-Gymnasium). Laut dem Jahresbericht von 1911/12 war er einer von 13 Schülern jüdischen Glaubens. 1917 befanden sich alle Schüler der obersten Klasse im Krieg. Robert Dreifus wollte eigentlich Volkswirtschaft studieren, wurde aber Zahnarzt. Seine Praxis richtete er in der Schützenstraße 9 ein. Auch er wurde in der Pogromnacht verhaftet, nach Dachau deportiert und am 16.12.1938 wieder entlassen. Noch im selben Jahr stelle er einen Ausreiseantrag nach Frankreich, um von dort aus nach Brasilien zu emigrieren. 1939 konnte er zwar nach Frankreich ausreisen. Mit der Inhaftierung im Lager Drancy und der Überstellung nach Auschwitz war seine Ermordung 1944 besiegelt.
Wegbeschreibung zur zehnten Station
Zehnte Station: Teichstraße 10: Familie Mandel
Als am 12. November 1938 die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“, gefolgt von der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“, in Kraft trat, begann die Arbeit der Saarpfälzischen Vermögensgesellschaft, die schon am 2. Dezember 1938 das Haus und Geschäft von Eugen Mandel an sich zog. Der vom Fabrikanten Karl Dörr gezahlte Erlös vom Verkauf der Kartonagenfabrik in Höhe von 36.000 RM, schrumpfte nach allen Abzügen auf 10.000 RM, die Mandel womöglich nie erhalten hat. Noch im April 1939 bittet er um das ihm zustehende Geld, um die Gesundheitskosten für seinen in Davos lebenden lungenkranken Sohn Ludwig zu bezahlen. Eugen Mandel und seine Frau waren mittellos, denn neben den Häusern mussten sie im Zuge der Arisierung auch sämtliche in Deutschland befindlichen Vermögenswerte dem von der NSDAP geführten Staat übertragen. Eugen und seine Frau Pauline Mandel lebten nach der Evakuierung 1939 in Bingen und wurden von dort aus am 27. September 1942 nach Theresienstadt deportiert. Ihr Sohn überlebte in der Schweiz, wurde dort eingebürgert und verstarb 2000 in London.
Wegbeschreibung zur Elften Station
Elfte Station: Gasstraße 8-10: Familie Max Wolff
Am Platz der heutigen Gasstraße 8-10 lebte zur Zeit des Nationalsozialismus die Familie Wolff: Max, Meta sowie Ihre Söhne Karl (später Charles) und Hans Werner (später John W.). Einen Beitrag zum Schicksal der Familie finden Sie auf der Gedenkseite, erstellt von Hanna Bähr, einer Schülerin am Hugo-Ball-Gymnasium.