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Zweibrücker Straße 40
Dezentrale Gedenkorte
Zweibrücker Straße 40: Berta Slodki
Gedenktafel an der Zweibrücker Straße 40
Die Anbringung der Gedenktafel fand am 20. Januar 2016 statt. Berta Slodki wurde 1884 in Walldorf bei Heidelberg geboren und wohnte in Pirmasens, in der Zweibrücker Straße 40. Am 29.11.1941 wurde sie ab Nürnberg ins Ghetto Riga, Lager Jungfernhof deportiert und dort ermordet. Sie war die Ehefrau von Markus Slodki (1871-1939). Sie hatten zwei Kinder: Else und Walter. Weiteres zu Berta Slodki und ihrer Familie lesen Sie im nachfolgenden Beitrag von Otmar Weber.
Abb: Gedenktafel; Veranstaltung am 20.01.2016; Berta Slodki und Markus Slodki © Otmar Weber mit freundlicher Genehmigung
Informationen zur Geschichte der Familie Slodki
von Otmar Weber
Der Vater war Kantor.
Die Mutter wurde ermordet.
Die Tochter ist frühzeitig emigriert.
Der Sohn hat nach dem Krieg den Slodkipreis gestiftet.
Sie waren überzeugte Pirmasenser und Deutsche bis zur Vertreibung und Ermordung.
Vater: Markus Slodki
Markus Slodki ist am 02.04.1871 in Konin/Polen geboren. Die Eltern erkannten frühzeitig seine musikalische Begabung und schickten ihren Sohn nach Berlin, wo er von 1890 – 1894 unter dem berühmten Kantorenlehrer Lewandowski eine hervorragende Ausbildung erhielt.
Nach kurzer Tätigkeit als Kantor in Ansbach wurde Markus Slodki im Jahre 1896 von der israelitischen Kultusgemeinde Pirmasens als Kantor berufen. Im Dezember 1911 heiratete er Berta, geb. Levi, aus Walldorf.
Nach der Hochzeit wohnte das Ehepaar Slodki von 1911 bis 1914 in der Turnstraße 3 und von 1914 bis 1939 in der Zweibrücker Straße 40 in Pirmasens. Sie hatten zwei Kinder: Tochter Else, geboren am 16.10.1912 und Sohn Walter Josef, geb. am 26.04.1914. Markus Slodki versah über zweiundvierzig Jahre lang mit Ernst und Gewissenhaftigkeit sein Kantorenamt bis zur Reichspogromnacht am 9. November 1938.In der israelitischen Kultusgemeinde genoss Markus Slodki wegen seines Könnens ein hohes Ansehen.
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Auch in der politischen Gemeinde galt er als angesehener Mann. Der spätere Oberbürgermeister Schunk war ein guter Freund und öfter Gast der Familie Slodki, ebenso Professor Boehe, der Dirigent des damaligen Pfalzorchesters, das alle vier bis sechs Wochen in Pirmasens gastierte. Nach den Konzerten war Professor Boehe traditionell Gast der Familie Slodki. Markus Slodki war auch in verschiedenen Vereinen und Organisationen in Pirmasens engagiert.
Am Morgen nach dem Synagogenbrand (10. November 1938) wurden die Juden in den Volksgarten (heute Festhalle) getrieben. Dem Polizisten, der Markus Slodki zu Hause abholen sollte, sagte Frau Slodki, dass ihr Mann erst vor kurzem operiert worden sei(Prostataoperation) und krank im Bett liege. Daraufhin antwortete der Polizist: „Ich nehme Ihren Mann nicht mit, er soll im Bett bleiben, ich melde ihn krank.“ Doch es war nur ein Aufschub, denn eine halbe Stunde später kam der Polizist zurück. Entschuldigend sagte er: „Ich muss Ihren Mann abholen und zum Volksgarten bringen: Er soll sich aber beim Anziehen Zeit lassen.“ Bevor es zum Volksgarten ging, hat Frau Slodki mit dem Polizisten eine Tasse Kaffee getrunken. Markus Slodki durfte nach Hause gehen, weil er über 65 Jahre alt und schwer leidend war. Dadurch ist ihm die Einweisung in das KZ Dachau erspart geblieben.
Am 30.05.1939 ist Markus Slodki gestorben. Er wurde auf dem Waldfriedhof in Pirmasens, Jüdische Abteilung, beerdigt. Die Grabrede von Rabbiner Dr. Nellhaus, die im Original vorliegt, ist ein einziges Loblied auf den pflichtbewussten und überaus geschätzten Kantor. Der Bruder von Frau Slodki, Rabbiner Dr. Sali Levi, im Ersten Weltkrieg Feldrabbiner und danach bis 1941 Rabbiner in Mainz, hat das Kaddisch gesprochen
Mutter: Berta Slodki
geboren am 19.11.1884 in Walldorf bei Heidelberg. Ihre Eltern, Wilhelm und Johanna Levi, geb. Sternweiler, betrieben in Walldorf einen Tabak- und Hopfenanbau und eine Weinbrandbrennerei. Siehatten es zu Wohlstand gebracht. Das Ehepaar hatte sechs Kinder:
Tochter Ida und Tochter Hete fanden im Warschauer Ghetto den Tod. Sohn Josef starb im französischen Internierungslager Gurs. Sohn Dr. Sali war im Ersten Weltkrieg Feldrabbiner an der Ostfront und von 1918 bis 1941 Rabbiner in Mainz. Er verstarb an dem Tag, als er Deutschland verlassen wollte in Berlin an einem Herzschlag. Tochter Berta, verheiratete Slodki, wurde 1941 im KZ Riga-Jungfernhof ermordet. Nur Sohn Berthold konnte sich durch Emigration nach Brasilien retten. Die Männer der Familie Levi waren als Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg alle dekoriert worden: Berthold Levi mit dem Eisernen Kreuz, Josef Levi mit dem Eisernen Kreuz und der Badischen Silbernen Verdienst-Medaille, Rabbiner Dr. Sali Levi mit dem Eisernen Kreuz und dem Zähringer Löwenorden. Sie haben zwar den Kopf für Kaiser und Vaterland hingehalten, genutzt hat es ihnen aber nichts.
Frau Slodki war für ihren Mann eine große Stütze. Nach seiner Operation pflegte sie ihn aufopferungsvoll bis zu seinem Tod im Mai 1939.
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Frau Berta Slodki ging im Juli 1939 von Pirmasens nach Frankfurt am Main und von hier aus nach Nürnberg, wo sie bis November 1941 in der Lenbachstraße 6, II bei Familie Metzger wohnte. Am 29.11.1941 wurde Frau Slodki von Nürnberg Lager-Langwasser nach dem KZ Riga-Jungfernhof deportiert und dort sofort ermordet.
Ende 1941 wurden elf Transporte mit 27.000 Juden aus dem Reichsgebiet nach Riga verbracht und dort gleich nach der Ankunft ermordet. Ein Brief, den Walter Slodki am 11.12.1941 per Luftpost von New York an seine Mutter nach Nürnberg geschickt hatte, kam am 21.08.1942 wieder nach New York zurück mit dem Vermerk auf dem Couvert: „Empfänger nicht zu erreichen. Weitere Wohnung in Nürnberg nicht bekannt. 22.1.42 Nürnberg. Return 22.1.42, Return zu Sender, New York 21. August 1942.“ Der Brief wurde in Deutschland mehrmals geöffnet, der Stempel „Geöffnet” zweimal bestätigt.
Eine Klage auf Entschädigung ist mit Gerichtsurteil vom 24.04.1959, Landgericht München I, 8. Entschädigungskammer, Aktenzeichen: 8 EK 5739/58 (LEG: BEG 041101) abgewiesen worden. In dem fünfseitigen Gerichtsurteil heißt es zwar, dass die Klage in formaler Hinsicht nicht zu beanstanden sei, aber keinen sachlichen Erfolg haben könne. Als entscheidender Grund wird der fehlende „Freiheitsentzug“ angeführt: Dazu führt das Gericht aus: „Eine Haftentschädigung für die Zeit nach der Einlieferung der Verfolgten (d. V. Frau Slodki) in das KZ Riga–Jungfernhof könnten den Klägern als Erben nur dann gewährt werden, wenn eine Freiheitsentziehung nach diesem Zeitpunkt nachgewiesen wäre oder gemäß § 176 Abs. 2 BGB für festgestellt erachtet werden könnte. Diese Voraussetzungen liegen aber für die Zeit nach dem 8. Dezember 1941 nicht vor, da nach dem Werk von Gerald Reitlinger ‚Die Endlösung’ geschlossen werden muss, dass die bis zu diesem Termin aus Deutschland eingetroffenen älteren Juden den Tod gefunden haben.
Für das Ableben im KZ gibt es keine Entschädigung. Der KZ-Aufenthalt wird pro Monat mit 300 Mark entschädigt. Da aber nicht eindeutig nachweisbar ist, ob Berta Slodki am 30. November oder am 1. Dezember 1941 ermordet wurde, spricht man kulanterweise eine Entschädigung für zwei Monate zu.
Die Kinder Else und Walter haben je 300 Mark als „Wiedergutmachung“ erhalten.
Unter dem schrecklichen Tod seiner geliebten Mutter hat Walter Slodki zeitlebens gelitten.
Sohn: Walter Joseph Slodki
Walter Slodki ist am 26.04.1914in Pirmasens geboren. Er besuchte die Oberrealschule (heute Leibniz-Gymnasium), wo er 1933 sein Abitur machte. Seine Leistungen waren über die gesamte Schulzeit hervorragend und die Lehrer waren voll des Lobes.
Walter Slodki war aber nicht nur ein sehr guter Schüler, sondern ein ebenso guter Stenograph, Theaterspieler und Sportler, vor allem aberein begeisterter Handballspieler.
Beste Erinnerungen hatte Walter Slodki an seinen Lehrer Dr. Konrad Egersdörfer und an die Firma Schön & Cie. GmbH, Schuhmaschinenfabrik in der Teichstraße in Pirmasens, wo er vom 01. April 1933 bis zum 30. Juni 1936 tätig war. Im Mai 1936 reiste er für die Firma Schön & Cie. zwei Wochen nach Palästina zur Levante-Ausstellung in Haifa. Diese Chance hat er nicht zur Emigration genutzt. Nach seiner Rückkehr musste er seinen Arbeitsplatz in Pirmasens aufgeben, ging nach Berlin, wo er von 1937 bis 1939 eine Werkzeugmaschinenfabrik in Berlin-Siemensstadt leitete.
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Walter Slodki war am 01.04.1939 von Berlin nach Pirmasens gekommen, um noch in der gleichen Nacht Deutschland zu verlassen. Er ist von Amsterdam über England in die USA emigriert. Am Heiligabend 1939 verließ sein Schiff Liverpool in Richtung USA/New York.
Während des Krieges war Walter Slodki als amerikanischer Soldat eingesetzt.
In Zeiten größter Not zeigte Walter Slodki menschliche Größe. Nach all dem Leid, das ihm und seiner Familie in Deutschland angetan wurde, war er nicht von Hass und Verbitterung geprägt, sondern schickte sofort nach Kriegsende großzügig Carepakete an seine hungernden Freunde in Pirmasens. Die erhaltenen Dankesbriefe zeugen von der Großherzigkeit Walter Slodkis. Er beließ es aber nicht nur bei Carepaket-Sendungen, sondern setzte sich schon 1948 für den Export Pirmasenser Maschinen in die USA ein. Ein Verdienst, das nicht vergessen werden sollte. 1953 hat Walter Slodki seine Geburtsstadt zum ersten Mal nach dem Krieg besucht.
Walter Slodki, ein großzügiger Mäzen seiner Geburtsstadt, unterstützte die Stadt und insbesondere das Leibniz-Gymnasium. Für seine ehemalige Schule stiftete Walter Slodki
1966 für den besten Abiturienten am Leibniz-Gymnasiumden sogenannte SLODKIPREIS, der aus einem Geldbetrag, einer eigens geprägten Medaille und einer Urkunde besteht.
Walter Slodki, der 1939 von den Nazis zur Emigration gezwungen wurde, fühlte sich seiner Heimatstadt immer verbunden. In unzähligen Telefonaten, in seinen Briefen und vor allem mit seinen vielen Fotos erinnerte er sich immer an die schöneren Tage in Pirmasens.
Der Einsatz für seine Freunde und die Stadt Pirmasens, wenige Jahre nach Vertreibung und Krieg, zeugt von der bleibenden menschlichen Größe Walter Slodkis.
Am 8. Januar 2013 ist Walter Slodki in New York gestorben. Er wurde am 25. Januar 2013 im engsten Familienkreis auf dem Friedhof in New York bestattet. Veteranen der US-Armee gaben ihm ein ehrendes Geleit. Sie stellten ein kleines Musikcorps, hissten an seinem Grab die US-Flagge und haben anschließend damit seinen Sarg bedeckt.
Trotz erlittener Demütigungen, Vertreibung und der Ermordung seiner Mutter durch den Rassenwahn der Nazis, blieb Walter Slodki zeitlebens seiner Heimat und Vaterstadt verbunden. Davon zeugen, wie erwähnt, seine Carepaket-Sendungen, seine frühzeitige Hilfestellung für die Pirmasenser Exportindustrie, seine vielen Besuche in Pirmasens, seine zahlreichen Spenden und insbesondere der SLODKIPREIS.
Zugleich bezeugte Walter Slodki stets Dankbarkeit und Respekt dem Land, das ihm Rettung und Aufstieg gewährt hat. Die USA haben ihm und seiner Schwester das Überleben ermöglicht. Seine Grabinschrift, die er vor seinem Tod formuliert hat, bringt in Schrift und Zeichen seinen Dank und sein Bekenntnis zum Judentum zum Ausdruck:
WALTER JOSEF SLODKI
SGT US ARMY
WORLD WAR II
APR 26 1914 ✡ JAN 8 2013Seine 95-jährige Frau, Charlotte Slodki, die aus Wien stammt, lebt in New York.
Seine ältere Tochter wohnt in Rom, die jüngere in den USA.
Tochter: Else Slodki
Else ist am 16.10.1912 in Pirmasens geboren und hat in der Alleestraße das Lyzeum (Höhere Töchterschule) besucht. Sie ist schon frühzeitig emigriert. 1934 ging sie nach Graulhet in Frankreich, von dort 1936 nach England und 1947 in die USA.
Hier war sie mit Herrn Calvert verheiratet.Die ehe war kinderlos. Else Slodki hat nach ihrer Emigration Pirmasens nicht mehr besucht. Sie ist im Februar 2001 in Ormond Beach/Florida gestorben.