Zentrale Gedenkstätte am Bahnhofsvorplatz nach dem Entwurf des Künstlers Clas Steinmann, 2014 

Schloßstraße 21

Dezentrale Gedenkorte

Schloßstraße 21: Arisierung in Pirmasens (Sachtafel)

Bitte beachten Sie: Die Sachtafel wurde aufgrund des Rückbaus der Kaufhalle vorübergehend entfernt.

Sachtafel an der Schloßstraße 21

Am Platz der ehemaligen Kaufhalle, Schloßstraße 21, befand sich die Eisenwarenhandlung Kahn. Die Tafelanbringung fand am 9. November 2016 statt im Rahmen weiterer Tafelanbringungen. Insgesamt wurden sechs Stationen aufgenommen, von der ehemalige Teichstraße 10 bis zur Alleestraße 37.

Arisierung in Pirmasens am Beispiel der Eisenwarenhandlung Moritz Kahn von Frank Eschrich,
unter Verwendung der Recherchen und Ausarbeitungen der Berufsbildenden Schule BBS, Klasse GT 13/6 

Link öffnet seitenüberlagerndes Dialog-Fenster
Eisenwarenhandlung Moritz Kahn, um 1904, mit Geschätsanzeige, Bildsammlung, Sammlung Einwohnerbücher © StArchiv PS

Eisenwarenhandlung Moritz Kahn

Besitzer des Grundstücks an der Pirmasenser Schloßstraße und der gleichnamigen Eisenwarenhandlung war Moritz Kahn. Im Bild eine Geschäftsanzeige aus dem Einwohnerbuch der Stadt Pirmasens 1925/26. Seit 1928 hatte die „Ehape-Warenhaus AG“, die spätere „Rheinische Kaufhalle AG“, das Anwesen an der Schloßstraße gemietet und erweitert. Das Pirmasenser Ehape-Warenhaus befand sich Ecke Schloßstraße/Höfelsgasse in einem Anbau.

EHAPE wird zur Kaufhalle, Leonard Tietz AG wird zu Kaufhof

Am 19. Oktober 1925 gründete der jüdische Kaufmann Franz Levy die „Einheitspreishandels GmbH“ (EHP bzw. EHAPE). Das erste Geschäft wurde im Januar 1926 unter Leitung der Leonard Tietz AG in Köln eröffnet. Hauptgesellschafter war Leonard Tietz, Cousin des „Hertie“-Gründers Hermann Tietz. Er firmierte die Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft (AG) um. 1937 wurden die EHAPE-Kaufhäuser arisiert und in „Rheinische Kaufhalle AG“ umbenannt. Bereits 1933 musste Firmenerbe Alfred Leonard Tietz seine Warenhäuser zu einem Bruchteil des Aktienwerts an die Dresdner Bank verkaufen. Um die jüdischen Firmengründer zu verbergen wurden sie im Anschluss in „Westdeutsche Kaufhof AG“ umbenannt. Sowohl die „Kaufhalle AG“ als auch die „Kaufhof AG“ gehörten ursprünglich der jüdischen Kaufmannsfamilie Tietz. Zum Aufsichtsratsvorsitzenden des Warenhauskonzerns wurde der Wuppertaler Industrielle Abraham Frowein bestellt, dem die Nationalsozialisten auferlegten, bis Ende 1934 alle Juden und Mitglieder der Familie Tietz aus der Firmenleitung zu entfernen (vgl. Die Geschichte der jüdischen Warenhäuser, Seite 14 ff, Andre Krajewski, Wuppertal).

Link öffnet seitenüberlagerndes Dialog-Fenster
Ehape-Kaufhaus, 1930er Jahre © StArchiv PS

Arisierung des Erbes von Moritz Kahn

Seit 1928 hatte die „Ehape-Kaufhaus AG“ das Geschäftshaus von Moritz Kahn an der Schloßstraße gemietet, hatte ein eingetragenes Nutzungsrecht und betrieb dort ein Warenhaus. Am 1. April 1933 wurde reichsweit zum Boykott der jüdischen Geschäfte aufgerufen. In Pirmasens wurden bereits im März 1933 zahlreiche jüdische Geschäfte demoliert, u.a. auch das Ehape-Kaufhaus. Am 28. Juli 1933 nahm sich Moritz Kahn das Leben, wohl als direkte Folge dieser Gewalttaten und der erlittenen antisemitischen Hetze in seiner Heimatstadt.

Am 20. März 1933 schreibt die Pirmasenser Zeitung unter der Überschrift „Schaufenstersturm in Pirmasens“:

„In der vergangenen Nacht gegen 2 Uhr wurden in dem Kaufhaus Katz in der Landauer Straße und im Kaufhaus Baer in der Hauptstraße die Schaufensterscheiben eingeschlagen. Kurze Zeit danach wurde die Polizei verständigt, daß auch im 'Ehape' sämtliche Schaufensterscheiben eingeschlagen worden sind und daß die Warenvorräte in Brand gesteckt worden seien. Im Teppichhaus Allspach in der Schloßstraße (übrigens wie uns Allspach mitzuteilen bittet, kein jüdisches Unternehmen), außerdem im Konsumgeschäft im Hause Görlich und im Schuhhaus Dreyfus in der Ringstraße, wurden ebenfalls Scheiben zertrümmert (…) Wie die hiesige Parteileitung der NSDAP uns mitteilt, sollen die Täter der NSDAP nahestehen. Die Partei erklärt, daß sie von solchen Terrorakten weit abrückt und daß sie dieselben auf das schärftste mißbilligt“ (vgl. Juden in Pirmasens, Seite 363 ff, Kukatzki Bernhard, 2004. Quelle: „Schaufenstersturm in Pirmasens“, Pirmasenser Zeitung vom 20.3.1933 )

Im Adressbuch der Stadt Pirmasens von 1936 ist als Besitzer des Grundstücks an der Schloßstraße 23 nunmehr „Moritz Kahn Witwe, Mannheim“ und als Mieter weiterhin die „Ehape-Kaufhaus AG“ eingetragen (vgl. Adressbuch 1936, Seite 104)

Am 12. Dezember 1938 wird der notarielle Kaufvertrag zwischen der „Rheinische Kaufhalle AG“ bzw. deren Bevollmächtigten und Paul Mones, Köln, handelnd für Susanne Kahn ohne Vertretungsvollmacht, bei Notar Riffarth in Köln abgeschlossen. Der vereinbarte Kaufpreis ist der Einheitswert des Grundstücks von 1935 in Höhe von 120.500 Reichsmark (RM). Der Vertrag enthält zahlreiche Nebenbestimmungen, u.a. dass alle Zahlungen an die Verkäuferin Kahn auf ein Sperrkonto unter ihrem Namen zu leisten sind und das Benutzungsrecht der „Ehape Aktiengesellschaft für Einheitspreise in Köln“ auf deren „Rechtsnachfolger Rheinische Kaufhalle“ übergeht (vgl. U.R. Nummer 992/1938, Abschrift für die Regierung der Pfalz, Stadtarchiv Pirmasens)

Susanne Kahn ist zu diesem Zeitpunkt 73 Jahre alt und in einem Altenheim in Mannheim in der Collinisstraße 47/53 untergebracht. Ihre Unterschrift unter den Kaufvertrag wird als echt beglaubigt. Allerdings ist diese Unterschrift auf der vorliegenden Quelle nicht erkennbar. Ob es sich bei Paul Mones, der als Verkäufer des Kahn'schen Grundstückes in Pirmasens auftritt, um einen Vormund von Susanne Kahn handelt, ist nicht bekannt und bietet Anlass zu weiterer Recherche.